Mann oder Maus – das ist hier die Frage von Claas Bahr

Sie sind erfolgreich, smart, liebevoll als Ehemann und Vater sowie zielstrebig als Karrierist – kein weltfremder Nerd oder Honk? Sie glauben an das, was Sie sehen und daran, dass Ihre Wahrnehmung der Wahrheit entspricht? Sie fühlen sich als Mann, frei und gleichzeitig sicher verankert in der Welt, Ihrer Identität, Ihrem Selbst? „Herzlichen Glückwunsch! Und: Wunderbar, denn dann begrüße ich Sie ganz herzlich in der Welt der Illusionen und Introjekte. Halten Sie sich fest. Denn jetzt werfen wir Sie von Ihrer Identitäts-Wolke-Sieben“, sagt Claas Bahr. Der Coach und Supervisor provoziert absichtlich und lädt Sie zu einem Experiment ein – das durchaus auch für Frauen interessant und erkenntnisreich ist.

Was antworten Sie auf die Frage: Sind Sie ein Mann oder eine Maus? Sie werden entrüstet sagen: „Ein Mann natürlich!“ Claas Bahr weiß, dass das aus Sicht der Wissenschaft weitaus weniger rosig aussieht. Da sind Sie, eine Maus in einem Feldexperiment menschlicher Identitätskonditionierung zur Spezies Mann. Sie haben gelernt, dass das, was Sie von sich spüren, wie Sie sich sehen, „Mann Sein“ bedeutet. Sie sind darauf trainiert, so wahrzunehmen, wie Sie wahrnehmen und zu glauben, dass das die Wahrheit ist. Das ist sie mitnichten, behauptet Claas Bahr: „Tagaus tagein tun wir so, wie wir immer getan haben. Wir folgen inneren Sätzen, die in der Selbstpsychologie „Introjekte“ heißen.

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Foto von Claas Bahr

Introjekte schreiben unser inneres Drehbuch

Diese Introjekte sind so invasiv, dass wir bis in die letzte Faser von ihnen durchdrungen sind, an sie glauben, als wären sie Dogmen. Im Betriebssystem unserer Psyche sind sie jedoch die Viren und Trojaner, die uns eine andere Bildschirmoberfläche vorgaukeln, uns einlullen und täuschen. Psyche 2.0, störungsfreie Dynamik männlichen Tuns – Fiktion und Wunschtraum, leider auch für die postmoderne und aufgeklärte Generation iPad. Einfache Introjekte kennt jeder: „Stell dich nicht so an!“ „Männer weinen nicht!“ „Schuster bleib bei deinem Leisten!“ Vielfach belächelt sind sie dennoch nur die Spitze eines Berges innerer Ver- und Gebote, die wir unbewusst zum inneren Drehbuch unseres Lebens machen. Die Hauptrolle: Das kleine, schreiende Ich, das uns auf der Suche nach der wirklich freien Lebensführung immer wieder kläglich an unserer eigenen Struktur, an Selbstabwertung und Kränkung scheitern lässt. Sie reinszenieren nicht immer wieder Ihr Scheitern? Sie fühlen sich immer frei in Ihren Entscheidungen und scheren sich einen Teufel um Konventionen und Konsens? Sie sind nicht gekränkt, wenn Welt dann nicht so tut, wie Sie es wollen und planen? Glückwunsch! Und warum gehen Sie dann zum Rauchen vor die Türe, setzen sich zum Pinkeln auf die Toilette und verklagen Ihren Nachbarn, weil er die Hecke auf Ihrer Seite des Grundstücks auch mit geschnitten hat? Natürlich, weil es dem zwischenmenschlichen, friedlichen Miteinander dient.

Das entscheidende Y-Chromosom und seine Folgen

„Aber wann haben Sie begonnen, eine Maus für die Entwicklung Ihrer männlichen Identität zu sein?“, fragt Claas Bahr. Unterschiede zwischen Mann und Frau liegen schon im Genom: Während Mädchen zwei X-Chromosomen haben, haben Jungen ein X- und ein Y-Chromosom. Wissenschaftler nennen das geschlechtsdeterminierende Gen „SRY-Gen“ – die „sex-determining region Y“, die die Ausbildung der Hoden steuert. Männlichkeit ist also – zumindest zu einem gewissen Maße – genetisch determiniert. Generationen von Frauen und Müttern würden diese biologische Determinierung gerne in das Reich der Fabeln und Mythen verbannen. Unseren Großmüttern wurde in der Zeit des Zweiten Weltkriegs nur allzu schmerzlich bewusst, dass die geradezu natürliche Präferenz von Jungen, mit Waffen spielen zu wollen, ein böses Ende nehmen kann. Der Nationalsozialismus mit der Vorstellung vom idealen arischen Mann selektierte jene, die besonders männlich und stark waren und schickte sie in den Krieg. Viele von ihnen kehrten nicht oder als Versehrte, Kranke, Gebrochene zurück. Claas Bahr erinnert sich: „Wie sagte meine Großmutter so schön: ,Die Guten sind gefallen. Wir wurden Witwen und mussten die Männer nehmen, die übrig geblieben waren.‘ Die Verbitterung jener Frauen war unermesslich – unermesslich auch das Leid, das der Krieg und die Jahre der Entbehrung im Wiederaufbau für die ,Trümmerfrauen‘ bedeutet hat. Ob sie wütend war, fragte ich einst meine Großmutter. ,Nein‘ dafür war keine Zeit‘ antwortete sie. Sie habe gearbeitet, versucht, ihre Familie durchzubringen, nicht zu verzweifeln. Sie habe auf ihre Söhne geachtet, sie zu rechtschaffenen Männern erzogen, sie nicht ,verzärtelt‘ – und sich damit vielleicht auch ein wenig gerächt an der Ungerechtigkeit der patriarchalen Welt, die ihr so viel Leid zugefügt hat. Manchmal sei es dazu nötig gewesen, hart zu sein und unnachgiebig. Ihre Söhne seien alle ,etwas geworden‘.“

Der Mann als Täter

Aber was ist aus unseren Vätern geworden? Thorsten Krauel würde sagen: Sie wurden zu „dezidierten Jugendrevolutionären“ der 68er-Bewegung. Sie waren getragen durch den Spirit der kubanischen Revolution, der Großen Proletarischen Kulturrevolution in China und dem Prager Frühling, der dank der medialen Präsenz nun auch in die Wohnzimmer bürgerlich-konservativer, deutscher Familien wehte. Und sie waren anti: antifaschistisch, antiimperialistisch, antiautoritär, antiaggressiv. „Das Dagegen wurde zur neuen Freiheit, zur gemeinsamen Gestaltungsbasis für die große vermeintliche Individualität“, erläutert Claas Bahr. Demonstration und stiller Protest statt handfester Auseinandersetzung. Freiheit durch sexuelle Freizügigkeit. Erziehung ohne Druck und Sanktionen. Die Frau als Partnerin und nicht als Sexobjekt. Promiskuität als neuer Lifestyle, der endlich alle Geschlechtsunterschiede auf der Welle der Sexualhormone wegzuspülen schien und das „Establishment“ in seinen schamhaften Grundfesten erschüttern sollte. Flower-Power und Sozialkritik, Freiheit und ungezügelte Lust? Mitnichten: „Denn auch die 68er-Männer waren in ihrer männlichen Identität tief verunsichert, überkompensierten die Schuld ihrer Großväter in der Verleugnung jedwedem männlichen Habitus. Im Dagegen waren sie an das, was sie verurteilten, jedoch stärker gebunden, als jemals zuvor,“ führt Claas Bahr fort. Sie unterstützten ihre Frauen in der Entwicklung ihrer Unabhängigkeit, trugen ihre Kinder im Tuch vor dem Bauch und still die Last des keimenden Feminismus, des „gender mainstream“ und der Viktimisierung der Frau mit. Der Mann als Täter, als Missbraucher. „Männer sind Schweine“ singen die Ärzte 1998. Sie bestätigen damit einen Trend, der Männer dazu bringt, sich innerlich für das zu verurteilen, was sie qua Existenz sind: Mann! Frauen müssen sich vor Männern hüten: Sie wollen nur das Eine, sind rücksichtslos und ungehemmt und spätestens am nächsten Morgen über alle Berge. Alice Schwarzer postuliert in ihrem Buch „Die Antwort“: Der Penis sei ohnehin „eine wuchernde Klitoris“ und „für das Zeugen der Lust oft hinderlich.“

Macker mit Muckis, Maserati und Rolex

Spätestens seit sich viele Männer dem Vorbild der Feministin Marianne Grabrucker folgend, um die „geschlechtsneutrale Erziehung“ der Kinder bemühen, sind sie zumindest teilweise rehabilitiert. Sie stellen es den Söhnen frei, ob sie mit Bagger oder Barbie spielen wollen, kaufen rosa Strampelanzüge, solange Maximilian, Christopher oder Malte Farben noch keinerlei Bedeutung zumessen zu scheinen und hoffen, es möge aus ihnen einmal tolerante, empathisch und hingewandte Männer werden, die ungehemmt weinen können und die allen Auseinandersetzungen diplomatisch und politisch korrekt begegnen. Der aggressive Macho ist dabei so ein „NoGo“, dass Mann sich demonstrativ fremdschämt, wenn er einem solch unkultivierten Modell der Marke „Macker mit Muckis, Maserati und Rolex“ begegnet. Gut, der Motor des Schlittens klingt nicht schlecht, die Chica auf dem Beifahrersitz ist sexy – doch ich will das nichtwirklich. Es ist doch einfach nur peinlich! Männer tragen aus Solidarität ein unaufdringliches Unisex-Parfum, zeigen Gefühl und unterstützen die Karriere ihrer Frau. Und schlussendlich ist der Lifestyle-Kombi mit Teilhybrid viel umweltverträglicher und damit doch viel zukunftsorientierter als die PS-Schleuder von Mr. Big. Alles scheint perfekt in Ihrer Welt, dieSie sich so schlüssig zurecht erklären, wie Sie einst mathematische Formeln im Gymnasium abgeleitet haben. Q.e.d. Alle Klarheiten beseitigt?

Entwerfen Sie sich neu!

Claas Bahr fragt provozierend: Doch warum fühlt es sich dann nicht genauso geil an, wenn Sie Ihre Tochter im Kombi zu Karate und Ballett und Ihren Sohn zu Blockflöte und Ausdruckstanz chauffieren? Warum schielen Sie nach Lamborghini und Longoria (Eva)? Und warum um Himmels Willen will Ihr Spross, vor die Qual der Spielzeugwahl gestellt, immer noch mit der Carrera-Bahn spielen und nicht mit der süßen Babypuppe? Und warum spielt die kleine Marie-Isabella-Cathrina Prinzessin und träumt davon, auch einmal vom Märchenprinz wach geküsst und geheiratet zu werden, obwohl sich ihre postfeministische Mutter zwischen Karriere und Familienmanagerin mal eben reuelos einen Liebhaber gönnt? Und warum kommt der Prinz, von dem die Kleine träumt, nicht auf einem Fahrrad daher und trägt statt goldbestickter Kniebundhose die Bio-Cotton-Jeans? Und warum fährt Barbie´s Ken ein rosafarbenes Cabriolet und keinen Lifestyle-Kombi? Haben Männer und Familienväter sich ins Aus der unsexy Looser geschossen, weil sie ihre Natur verleugnen? Spielen nicht sie, sondern die Bad Boys im Strafraum der wirklich attraktiven Frauen? Reichen denn die guten Vorbilder und der strenge Verzicht auf geschlechtsstereotype Konditionierung der Kinder nicht aus, um sie zu geschlechtsneutralen Wesen zu erziehen? Claas Bahr kennt die Antwort: „Nein, liebe Väter, denn in erziehen kommt Ziehen vor und das hat nun mit Freiheit und Entwicklung rein gar nichts gemein! Wir alle sind erzogen, gezogen, hin und her gerissen zwischen Ist und Soll.“ So ignorieren wir das evolutionsbiologisch tief in uns verankerte Kräftespiel zwischen Animus (Männlich) und Anima (Weiblich) und schaffen uns unsere eigene Welt, die nur in unserer Fantasie existiert. Wir schaffen uns unsere Idee von uns selbst und haben über all dem Tuning unseres Egos verlernt, einfach zu SEIN! Männer sind dem Lockruf des Weibes erlegen und haben versucht, es ihm recht zu machen. Dabei haben sie verlernt, sich selbst zu entwerfen, zu entwickeln. Doch es ist noch nicht vorbei: Männer können, mit dem indischen Wissenschaftler und Autor Deepak Chopra gesprochen, alles sein, weil das gesamte Universum in uns ist. Welche Idee Sie schlussendlich von sich als Mann entwerfen, liegt an Ihnen! Richtig, an Ihnen! Nicht an den Frauen! Sie müssen akzeptieren, dass Sie nicht das sind, was Sie glauben zu sein. Dass Sie nicht sehen, was Sie sehen. Dass Sie nur das tun, was Sie gelernt haben, zu tun. In der Akzeptanz der Beschränktheit liegt die Freiheit verborgen. „Sie können nur lernen, sich anders zu entwerfen, anders zu denken, wenn Sie sich als das erkennen, was Sie sind: Das Produkt Ihrer Konditionierung und damit Ihrer Introjekte, die Ihnen vorgeben, wer Sie sein sollen – in den Erwartungen der anderen“, fordert Claas Bahr auf. Denn: „Erst wenn Sie sich erlauben, den Ferrari und die Chica super zu finden, sich gestatten, auch Macho zu sein, die rosa Brille des Frauenverstehers absetzen, ohne sich gleich als Schwein zu fühlen, dann haben Sie eine Chance, Mann zu sein… nicht nur Maus,“ betont Claas Bahr. Zurück vom Experiment zur Wirklichkeit. Also: Mann oder Maus – ist hier die Frage.

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